„Es wird einmal …“

Wertstoffgeschichten erzählen für Zukünfte im Anthropozän

Die sieben Zwerge bauen Kohle ab, Rumpelstilzchen spinnt Stroh zu Gold, die Königstochter aber weiß, dass Salz wertvoller als Gold und Edelsteine ist. Doch die Verbrennung von Kohle setzt CO2 frei, was den Treibhauseffekt und die Erderwärmung verstärkt. Um Nutztiere mit Soja statt Stroh zu füttern, wird der Regenwald abgeholzt. Gold wird heute an der Börse als krisensichere Wertanlage gehandelt, Salz dagegen nicht mehr als wertvoller Stoff erachtet.

Von Märchen in ihren materialen Kontexten ausgehend, erforschen Volksschüler/innen aus Niederösterreich, wie Ressourcennutzung im Kreislauf gelingen kann: wenn wir den Boden als einen Schatz verstehen, der nicht nur als Ressource zu heben, sondern nachhaltig zu pflegen ist; wenn aus Rohstoffen erzeugte Dinge nicht als Plastikmüll entsorgt, sondern als Wertstoffe wiederverwendet werden. Die Citizen Scientists erkunden als Zukunftsforscher/innen das Wissen über regionale Rohstoffe an ihren Schulstandorten (z.B. Kohle, Graphit, Kies, Stein, Sand, Holz, Raps, Mais, Zucker­rübe) und erforschen, wie die Menschheits- als Energiegeschichte für die Zukunft neu geschrieben werden kann.

Ihre Forschungsmethode ist die Zukunftswerkstatt mit ihren drei Phasen, die für die Volksschule adaptiert werden. In der ersten Phase, der Märchenwerkstatt, richten die Schülerinnen und Schüler den Blick auf die Wertstoffe in Märchen. Mit dieser neuen Perspektive gehen sie in die zweite Phase - die Kreislaufwerkstatt - und sammeln Wissen über Wertstoffe, durch Exkursionen zu Lagerstätten, Interviews mit Expert/innen und Einblicke in Weiterverarbeitungsprozesse. In der dritten Phase, der Zukunftswerkstatt, schreiben sie die Märchen neu: „Es wird einmal …“. Die nachhaltigen Wertstoffgeschichten, die dabei entstehen, sind Zukunftserzählungen.

Die mit den Schülerinnen und Schülern durchgeführte kulturelle Nachhaltigkeitsforschung hat zwei verschränkte Fragen im Fokus: Wie gelingt Wissenschaftskommunikation mithilfe von Stoffgeschichten? Welche Lehr-Lernprozesse fördern Futures Literacy als von der UNESCO für alle Menschen als notwendig gesehene Befähigung zur Gestaltung einer lebenswerten Zukunft? Die von den Citizen Scientists erforschten Stoffkreisläufe und Nutzungszusammenhänge regionaler Rohstoffe in Vergangenheit und Gegenwart dienen dabei ebenso als Datenmaterial wie die Wertstoffgeschichten für mögliche Zukünfte im Anthropozän, dem "Menschenzeitalter". Im Anthropozän wird die enge Verwobenheit von Mensch und Natur, Kultur und Technik sichtbar, denn die massiven Eingriffe des Menschen bringen die Erdsysteme an ihre Belastbarkeitsgrenzen. Neue Geschichten von einem Leben in der Kreislaufgesellschaft schaffen auf kreativem Weg Wertschätzung für den Planeten Erde als unseren Lebensraum.

(Fotocredit © Tutschek/PH NÖ)