Gesichter der Migration

Jugendliche aus Tirol erforschen gemeinsam ihre familiale Migrationsgeschichte

Sozialhistorische Studien haben vielfach belegt, dass Wanderungen seit jeher zur menschlichen Existenz gehören. Wenn Migrationsbewegungen so alt sind wie die Menschheit selbst, kann die Weltgeschichte als Geschichte von Wanderungen gelesen werden. Auch im europäischen Raum fanden große Bevölkerungsbewegungen statt. Im 19. Jahrhundert, das auch das Zeitalter der Migration genannt wird, hatte bereits über die Hälfte der europäischen Gesamtbevölkerung den eigenen Geburtsort verlassen.

Warum nicht einmal den Blick auf die eigene Familiengeschichte richten? Man kann von familiären Migrationserfahrungen sprechen, wenn beispielsweise ein Onkel beruflich nach Kanada ausgewandert ist, oder wenn die Großeltern durch Binnenmigration aus der Hauptstadt nach Tirol gekommen sind. Blickt man allein schon auf die österreichische Geschichte des 20. Jahrhunderts zurück, auf die massive Zuwanderung aus den Kronländern um 1900, auf Bevölkerungsbewegungen nach dem 2. Weltkrieg, Arbeitsmigration und europäische Grenzöffnungen, wären sicher in jeder Familie Migrationsgeschichten zu erzählen. Dieses Sparkling Science-Projekt zielte auf einen Perspektivwechsel in die eigene Familiengeschichte ab. Im Rahmen dieses Projekts erforschten Jugendliche aus Tirol gemeinsam mit Wissenschaftler/innen der Universität Innsbruck ihre familiären Migrationsgeschichten. Dadurch konnte bisher unsichtbares Wissen sichtbar gemacht werden: Wie sind Menschen in familiäre und andere grenzüberschreitende Netzwerke eingebunden? Wie bewegen sie sich in transnationalen Räumen? Wie kombinieren sie Unterschiedliches miteinander und entwickeln daraus ihre eigenen Lebensentwürfe? Dabei wurden die Jugendlichen als Expert/innen ihrer Lebenspraxis wahrgenommen und in den gesamten Forschungsprozess aktiv mit einbezogen: Sie entwickelten ihre eigenen Forschungsfragen, die sie dann anhand offener Interviews mit ihren Eltern und Verwandten führen. Darüber hinaus suchten die Jugendlichen mittels ethnografischer Feldforschung nach Spuren von Migration in den einzelnen Stadtteilen und machten diese sichtbar.

Aus wissenschaftlicher Sicht wurde danach gefragt, wie Migrationserfahrungen in den einzelnen Familien wahrgenommen und bewertet werden und ob über Migration ein Wissen bzw. Bewusstsein vorhanden ist. Ausgehend von den Erkenntnissen der Forschung organisierten die Forschenden gemeinsam mit den Jugendlichen eine Ausstellung und eine Tagung an der Universität Innsbruck. Darüber hinaus wurde ein Online-Heft zu den Ergebnissen des Projektes erstellt, welches sich an Schulen und an die allgemeine Öffentlichkeit richtet. Mit diesem Projekt wurde somit einerseits ein wichtiger Beitrag zur Erforschung familiärer Migrations- und Stadtgeschichten geleistet. Andererseits können die Erkenntnisse des Projektes dazu dienen, ein anderes Bewusstsein über Migration und Diversität vor Ort zu schaffen.

Dieses Projekt ist bereits abgeschlossen.