Landscape and You-th
Ein Oral History Projekt zu lokalem Wissen, Sprache und Landschaft

Interaktionen von Mensch und Landschaft am Beispiel von Flachsanbau und -verarbeitung im Kärntner Lesachtal

Das Projekt Landscape and You-th fokussierte den Zusammenhang zwischen lokalem Wissen, Sprache und Landschaft anhand des Anbaues und der Verarbeitung der Kulturpflanze Flachs im Kärntner Lesachtal.

Landschaften entwickeln sich im Zusammenwirken von natürlichen Prozessen, kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren und der Wahrnehmung. Sie befinden sich fortwährend im Wandel und erfüllen verschiedene Funktionen als Lebens-, Natur-, Kultur-, Wirtschafts- und Erholungsraum. Landschaft ist ein vom Menschen als solches wahrgenommenes und erlebtes Gebiet, dessen Charakter das Ergebnis des Zusammenwirkens natürlicher und / oder anthropogener Faktoren ist (Europarat 2000). Hierzu können auch in einer Region typische Charakteristika wie Sprache und Traditionen zählen.
Am 05. Januar ziehen jährlich die Kinder des Kärntner Lesachtales zum Haalangreiten - welche Bedeutung hatte der Brauch einst im Zusammenhang mit dem Flachsanbau?
Warum gehört die Brechlhütte in Maria Luggau mehreren Bauernfamilien gemeinsam? Warum hatten Männer beim Flachsbrecheln dort keinen Zugang?

Zu diesen Fragen um das bäuerliche Erfahrungswissen im Kärntner Lesachtal finden sich kaum schriftliche Antworten. Bis in die 1960er Jahre existierte im Lesachtal der Flachsanbau als ein fester Bestandteil der Selbstversorgung. Er war ein wichtiger Rohstoff für die Leinenweberei und lieferte hochwertiges Öl. Baumwolle und Kunstfasern verdrängten jedoch nach und nach den Flachs als Rohstoff für die Bekleidung; der arbeitsintensive Anbau innerhalb der Berglandwirtschaft wurde zunehmend unrentabel. Spuren der Landnutzungsform wie die Brechlstube und die Ölmühle in Maria Luggau sind heute noch sichtbar.

Erinnerungsinterviews mit Zeitzeug/innen sind zur Zeit noch eine Möglichkeit des Zugriffes auf die lokale Kulturgeschichte des Lesachtales. Sie ist teils nur noch in dieser Form zu erfahren, weil die Menschen ihre lokales Erfahrungswissen zum Teil selbst nicht verschriftlichen oder es teils nicht als kollektiven Wert für die Zukunft wahrnehmen. Mittels Erinnerungsinterviews kann die Rekonstruktion alltäglicher Lebensverhältnisse vorgenommen werden und ihrer sinnhaften Deutung erfolgen. Schüler/innen der Mittelschule des Lesachtales und der HBLA Hermagor wurden in diesem Erhebungsverfahren geschult und interviewten Bewohner/innen ihrer Region nach den ehemaligen Anbau- und Verarbeitungsschritten des Flachses sowie der Bedeutungen der Kulturpflanze im bäuerlichen Alltag. Die transkripierten Interviews ermöglichen durch die Detailkenntnis zu Anbau und Verarbeitung, eine Rekonstruktion der zeitlich-räumlichen Nutzungsdynamik und des sozioökonomischen Kontextes der Nutzungsweise.

Mit den generierten Ergebnissen gestalteten die Schüler/innen einen audiellen Hörspaziergang. Dieser dient als ein akustisches Archiv des bäuerlichen Erfahrungswissens um den Flachs - sowohl für die sozialwissenschaftliche Landschaftsforschung als auch zur praktischen Nutzung für Einheimische und Tourist/innen im Lesachtal. Die im Forschungsprozess generierten Interaktionen zwischen Mensch und Landschaft wurden - sowohl bei den interviewten Zeitzeug/innen als auch bei den interviewführenden Jugendlichen- in Hinblick auf ihre kultur- und gruppenspezifische Bedeutung im Sinne einer Ortsidentität analysiert.

Dieses Projekt ist bereits abgeschlossen.